Während man schon länger kritisch auf die Situation in Ungarn blickt, flog die sozialdemokratische Regierung in Rumänien lange unter dem Radar der Europäer. Doch nicht ohne Grund gehen auch dort immer mehr Bürger gegen fragwürdige Justizreformen und Korruption auf die Straße.

Während der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments im September blickte die Öffentlichkeit gespannt auf die Positionierung der Abgeordneten gegenüber Ungarn. Der dortigen Regierung um Premierminister Viktór Orban wird eine zunehmende Aushöhlung von Rechtstaat und Demokratie vorgeworfen. Aus meiner Sicht war es richtig, an Ungarns Regierung die klare Botschaft zu senden, dass europäische Regeln und Werte nicht verhandelbar sind. Noch wichtiger ist es nun jedoch, diese rote Linie auch für jede andere nationale Regierung zu ziehen. Denn neben Ungarn gibt es auch in anderen EU-Ländern beunruhigende Entwicklungen, beispielsweise in Rumänien. Die dortige Situation stand im Oktober endlich auf der Tagesordnung der Plenarsitzung und es war wichtig, dass sich dieser Debatte auch die Premierministerin Rumäniens, Viorica Dăncilă, stellte.

Nachdem sich das öffentliche Interesse in den letzten Jahren vor allem auf Polen und Ungarn konzentriert hatte, fand die sich zunehmend verschlechternde Lage in Rumänien leider zu wenig Beachtung. Seit mehreren Monaten gehen die Bürger regelmäßig zu Tausenden auf die Straßen, um gegen die von den Sozialdemokraten (PSD) geführte Regierung zu demonstrieren. Zuletzt demonstrierten diesen Sommer Hunderttausende! Insbesondere deutliche Rückschritte im Kampf gegen die Korruption im Land sowie eine fragwürdige Justizreform stoßen auf deutliche Kritik. Allein im vergangenen Monat versammelten sich an mehreren Tagen zehntausende Menschen in Bukarest und anderen rumänischen Städten. Dabei ging die Regierung mit großer Härte gegen Demonstranten vor: Ein unverhältnismäßiger Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten sorgte für zahlreiche Verletzte.

Demonstration gegen die Justizreform in Bukarest im vergangenen Winter

Doch die Proteste der Bürger sind gut nachvollziehbar. Die aktuelle Regierungskoalition unter der Führung der sozialdemokratischen Partei Rumäniens (PSD) strebte neben Änderungen des Strafgesetzbuches eine Gesetzesinitiative zur Begnadigung von Hunderten wegen Amtsmissbrauchs angeklagten Amtsträgern an. Beispielsweise sollten Amtsmissbrauch und Korruption unter einem Schadenswert von umgerechnet 45.000 Euro für straffrei erklärt werden. Diese Pläne hatten die Bürger bereits massenhaft zum Protest veranlasst und so musste die Regierung das Dekret schließlich in Teilen zurücknehmen. Nicht verhindert werden konnte jedoch, dass die Regierung nun im Juli die Änderung des Strafrechts und der Strafprozessordnung verabschiedete. Im Kern bedeutet dies: Amtsmissbrauch und Korruption werden in wesentlichen Teilen entkriminalisiert und der Handlungsspielraum von Staatsanwälten wird eingeschränkt. In gleichem Maße fragwürdig ist die Entlassung der Chefin der nationalen Antikorruptionsbehörde – gegen den Widerstand des Staatspräsidenten Klaus Johannis. Unter ihrer Leitung hatte die Behörde zuvor zahlreiche Politiker der Korruption überführt.

Insgesamt verfolgt die EU die jüngsten Entwicklungen in Rumänien mit großer Sorge, da hierdurch die Unabhängigkeit des rumänischen Justizsystems sowie die effektive Korruptionsbekämpfung gefährdet werden. Auch werden die Erfolge der stets von der EU unterstützten Antikorruptionsbehörde systematisch zunichtegemacht. Die Rechtsstaatlichkeit ist in dem Land in großer Gefahr und insbesondere die weiterhin grassierende Korruption im Land hält die Bürger in einem stetigen Würgegriff. Die CDU/CSU-Gruppe steht deshalb an der Seite der rumänischen Bürger und des Staatspräsidenten Klaus Johannis, der sich mit aller Kraft gegen die Korruption im Land stellt. Wir setzen uns dafür ein, alle Kräfte im Land zu stützen, die sich für Demokratie, Rechtstaat und eine aktive Zivilgesellschaft einbringen. In der Oktober-Plenarsitzung wurde am Mittwoch zunächst nur über die Situation in Rumänien und mögliche Maßnahmen diskutiert. Doch diese Debatte, die mit harten Bandagen geführt wurde, hat denke ich schon ein starkes Signal an viele Akteure gesandt und mehr Aufmerksamkeit auf dieses Problem gelenkt.