Entgegen aller Bemühungen bleibt das Verhältnis Ungarns zu den anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union von Spannungen und Auseinandersetzungen geprägt.

Seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Jahr 2010 wird Viktor Orbán vorgeworfen, die Menschenrechte in Ungarn systematisch zu untergraben. Unter seiner euroskeptischen Führung wurden in den vergangenen zehn Jahren wiederholt die Befugnisse des Verfassungsgerichtshofs eingeschränkt, Oppositionsparteien im Parlament behindert und Versuche unternommen, die Medienlandschaft zu kontrollieren. Zudem gab es in Ungarn wiederholt Fälle von Missbrauch europäischer Fördergelder.

Als Reaktion wurden von der EU Hilfszahlungen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro eingefroren und Ungarn vom ERASMUS+-Programm ausgeschlossen. Da das Land aus dem EU-Haushalt mehr als das Vierfache dessen erhält, was es einzahlt, und diese Gelder etwa 4% des ungarischen Staatshaushalts ausmachen, hat jede Kürzung erhebliche Auswirkungen auf die ohnehin angeschlagene Wirtschaft des Landes.

Die EU-Führungsspitzen werden im Februar in Brüssel zusammenkommen, um die Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027, einschließlich der Unterstützung der Ukraine, zu erörtern. Orban hatte vorerst angekündigt dieses Vorhaben mit einem Veto zu verhindern.

Nun hat die EU-Kommission zehn Milliarden Euro eingefrorener Gelder an Ungarn freigegeben. Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen verteidigte die Entscheidung der Kommission. „Diese Entscheidung sei getroffen worden, nachdem Ungarn als Reaktion auf mehrere EU-Empfehlungen Justizreformen durchgeführt habe“, erklärte sie vor dem Europäischen Parlament in Straßburg und fügte hinzu, dass rund 20 Milliarden Euro weiterhin eingefroren seien.

Das EU-Parlament bleibt weiter kritisch. Solange Gerichtsurteile in Ungarn „über Nacht per Dekret abgeändert“ werden könnten, gebe es weiter „schwerwiegende“ Bedenken an der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, erklärte die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier.

In einer Resolution des Europäischen Parlaments wurden Rechtsausschuss und juristischer Dienst damit beauftragt, die Mittelfreigabe so schnell wie möglich zu überprüfen. Sollten Verstöße gegen EU-Recht festgestellt werden, soll der Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gebracht werden. Dieser Schritt wäre die einzige Möglichkeit, die Entscheidung der Kommission noch zu kippen.

Mit Spannung wird erwartet, ob sich die Freigabe der Mittel auf Orbans angedrohte Blockade des Haushalts im Februar auswirkt. Die ungarische Regierung hat öffentlich bekanntgegeben nicht einlenken zu wollen, sich jedoch indirekt bereit für Verhandlungen gezeigt.

Besonders bedauerlich finde ich die Tatsache, dass die Einbindung Ungarns in das „ERASMUS+“-Programm nicht durch Ungarn selbst gefordert wurde und deshalb auch nicht Teil der aufgetauten Mittel ist. Dies ist besonders deshalb zu bedauern, da es hauptsächlich die pro-europäische Jugend des Landes trifft. Meine CDU/CSU-Kollegin Sabine Verheyen, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung im Europäischen Parlament (CULT), erklärte die fortgesetzte Zurückhaltung der ERASMUS-Fördermittel damit, dass in den Kuratorien der Universitätsstiftungen nicht nur Akademiker, sondern auch regierungsnahe Beamte und Politiker sitzen. Diese Konstellation erhöht das Risiko einer Missbrauchs- und Fehlverwendung der Mittel in Ungarn.