Das Kosovo liegt mir sehr am Herzen und die aktuellen Vorgänge im Norden der Republik Kosovo erschüttern mich. Ich möchte Ihnen mit diesem Bericht über meine Reise unmittelbar vor den jüngsten Vorfällen meine Eindrücke nicht vorenthalten. In den nächsten Tagen werde ich Ihnen ein einem „Special“ Hintergründe und Entstehung sowie die Beschreibung der aktuellen Situation und meine Einschätzung übermitteln.

In meiner Funktion als stellvertretendes Mitglied der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zu Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo hatte ich bereits mehrfach die Möglichkeit, das Kosovo zu bereisen. Nachdem ich zuletzt im September 2022 mit einer Delegation aus meinem Wahlkreis mehrere Orte im Kosovo besucht habe, hatte ich vom 17. bis zum 20. Mai 2023 auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung erneut die Gelegenheit für einen Besuch vor Ort.

Vor dem Hintergrund des durch die Europäische Union vermittelten Dialogs zwischen Serbien und Kosovo mit dem übergeordneten Ziel einer Normalisierung der bilateralen Beziehungen beider Länder lag der Schwerpunkt meiner politischen Gespräche auf einem europapolitischen Gedankenaustausch mit Vertretern der Regierung und verschiedener Parteien, darunter auch der EVP-Mitgliedspartei LDK. In den Hintergrundgesprächen mit Premierminister Albin Kurti, Staatspräsidentin Vjosa Osmani und dem Vorsitzenden unserer Schwesterpartei LDK, Lumir Abdixhiku, wurde die nun von dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten beschlossene Visaliberalisierung für Kosovarinnen und Kosovaren, die spätestens ab 1. Januar 2024 in Kraft treten wird, ausdrücklich befürwortet.

Weiterer Gesprächsgegenstand war das von Berlin und Paris maßgeblich vorangetriebene Abkommen von Ohrid, welches eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen zwar nicht durch völkerrechtliche Anerkennung gewährleisten soll, wohl aber die Anerkennung der Mitgliedschaft Kosovos in internationalen Organisationen zum Ziel hat und den Austausch von Ständigen Vertretungen vorsieht. Ein über die bisher rein mündliche Zusage hinausgehendes schriftliches Abkommen wäre in der Tat nicht nur ein wichtiger Garant für Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region, sondern auch eine entscheidende Wegmarke hin zu einem langfristigen Beitritt der Westbalkan-Staaten zur Europäischen Union.

Die Republik Kosovo hat im Dialogprozess bisher stets Gesprächsbereitschaft gezeigt und umfassende Vorschläge zur genauen Ausgestaltung des Ohrid-Abkommens vorgelegt. Es ist bedauerlich, dass sich Serbien im Gegenzug kaum bewegt und die von europäischer Seite begleiteten Gespräche durch Aussitzen und Untätigkeit eher blockiert als voranbringt. Als offizieller EU-Beitrittskandidat steht Serbien allerdings unter öffentlicher Beobachtung und damit unter stärkerem Handlungsdruck, sodass es – insbesondere vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und einer fehlenden Abgrenzung zum Aggressor Russland – nun auch hinsichtlich seiner Nachbarschaftspolitik zeigen muss, wie glaubwürdig der Wunsch nach einer EU-Mitgliedschaft ist. Es freut mich sehr, dass ich über diese Themen mit den kosovarischen Regierungsvertretern auf einer offenen und vertrauensvollen Basis sprechen konnte.

Neben den Treffen mit LDK-Vertretern wie Alban Zogaj (Stellvertretender Bürgermeister von Pristina) und Gazmend Muhaxheri (Bürgermeister von Peja) konnte ich außerdem Gespräche mit Vertretern verschiedener pro-europäischer Parteien im Kosovo führen. Hinzu kamen Gespräche mit dem kosovarischen Landwirtschaftsminister, Faton Peci, und dem Vorsitzenden des Verbands kosovarischer IT-Unternehmen, Ermal Sadiku. Schwerpunkte dieser Austausche waren dabei die Stärkung der Rolle der Kommunen, der Ausbau des Genossenschaftswesens im Kosovo sowie die Aussicht auf eine engere Kooperation mit den Gemeinden Baden-Württembergs und die Möglichkeit eines zukünftigen Austauschs von Best-Practice-Methoden.

Im Rahmen meines Treffens mit dem neuen Rektor der Universität Pristina, Herrn Prof. Qerim Qerimi, stand sodann auch das große Potenzial der jungen Generation im Kosovo im Vordergrund. Eine Vertiefung bereits bestehender Universitätspartnerschaften zwischen deutschen und kosovarischen Lehranstalten und der Aufbau neuer Kooperationsprogramme mit baden-württembergischen Hochschulen sollen künftig noch stärker in den Fokus genommen werden. Ich werde mich deshalb auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass Investitionen in Bildung, demokratische Strukturen und Wirtschaft auch von den europäischen Entscheidungsträgern ebenfalls mit hoher Priorität vorangetrieben werden.

Die Republik Kosovo ist nicht nur eines der proeuropäischsten Länder auf dem Westbalkan: die junge Republik hat in den vergangenen Jahren auch entscheidende Fortschritte in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geleistet und verdient es, von Seiten der EU als eigenständiger Gesprächspartner ernstgenommen zu werden und konkrete Perspektiven in Richtung einer zügigen Annäherung zu erhalten. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund sicherheitspolitischer und geostrategischer Überlegungen sollten wir in Europa ein mindestens genauso großes Interesse daran haben, unsere Nachbarn auf dem Westbalkan langfristig zu stabilisieren und nachhaltig zu stärken.