Als Europäische Union haben wir den Anspruch, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dafür sind nach Schätzungen der EU-Kommission Investition in Höhe von rund 350 Milliarden Euro notwendig.

Die sogenannte „Taxonomie“, ein Klassifizierungssystem, das darüber informiert, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen und somit finanziell subventioniert werden, soll dazu verhelfen. Dazu hatte die EU-Kommission im März 2022 den Taxonomie-Rechtsakt als „ergänzenden Rechtsakt zum Klimaschutz angenommen.

Dieser schlägt vor, Kernenergie- und Gastätigkeiten in die Liste der umweltverträglichen Wirtschaftstätigkeiten aufzunehmen, die von der “Taxonomie” erfasst werden. Dabei stand in den vergangenen Wochen vor allen Dingen ein Aspekt im Vordergrund der Debatten: Die Einstufung von Gas und Atomenergie als „grün“.

Nun lag der Ball im Spielfeld des EU-Parlaments, das darüber entscheiden musste, ob es ein Veto gegen den Vorschlag der Kommission einlegen wird. Der Parlamentsausschuss für Umweltfragen, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) sprach sich noch im Juni für ein Veto gegen den Vorschlag aus.

Vergangenen Mittwoch entschied sich das Plenum mit einer eindeutigen Mehrheit für die Einstufung von Gas und Atomkraft als „grün“ und somit gegen besagtes Veto. Diese Entscheidung ist allerdings an Bedingungen geknüpft: Gaswerke werden künftig nur dann als „grün“ eingestuft, wenn sie Kraftwerke ersetzen, die durch fossile Brennstoffe wie Öl oder Kohle betrieben werden. Sie müssen zudem Mindeststandards für den CO2-Ausstoß erfüllen und sollten bis 2035 durch erneuerbare Brennstoffe wie Biogas oder Wasserstoff ersetzt werden.

Zudem sollen Finanzakteure im Rahmen einer Offenlegungsverordnung dazu verpflichtet werden, transparent darüber zu informieren, inwieweit sie die entsprechenden Nachhaltigkeitsaspekte erfüllen. Langfristig soll auf diese Weise verhindert werden, dass Unternehmen grüne Anleihen ausgeben oder Finanzakteure Ökofonds vermarkten, die den Ansprüchen des „EU Green Deals“ nicht genügen.

Beim Thema Atomkraftwerke ist es nicht anders. Bestehende Atomkraftwerke dürfen bis 2040 als ökologisch nachhaltig eingestuft werden, mit der besten verfügbaren Technik neu gebaute sogar bis 2045. Dabei sollen betroffene Staaten Pläne vorlegen, wie sie den Atommüll spätestens 2050 dauerhaft lagern wollen.

Die Abgeordneten der EVP-Fraktion gaben bei dieser Entscheidung kein einheitliches Bild. Mir persönlich war die Öffnung der europäischen Gesetzgebung für Brückenlösungen wichtig. Ich bewerte deshalb die Lösung der EU-Kommission als ausgewogen und habe sie wie die Mehrheit der CDU/CSU-Gruppe entsprechend unterstützt.

Besonders in Deutschland stellt Gas als Alternative zur Energiegewinnung aus Kohle eine Möglichkeit zum schnelleren Erreichen der Klimaziele dar, bis erneuerbare Energien bedarfsdeckend verfügbar sind. Im Kern geht es aber nicht nur um Gas- und Kernkraftwerke, sondern um eine wasserstofffähige Gasinfrastruktur. Wir müssen jetzt die Infrastruktur schaffen, um in zehn oder fünfzehn Jahren Wasserstoff in hinreichender Menge zur Verfügung zu haben und nutzen zu können. Die Infrastruktur die wir heute schaffen, kann später für den Transport von Wasserstoff genutzt werden.

Es handelt sich bei dem Thema Nachhaltigkeit um einen Marathon und nicht um einen Sprint. Wir müssen langfristig mit realistischen Maßnahmen auf das übergeordnete Ziel „Klimaneutralität“ hinarbeiten. Dabei können Brückenlösungen der zeitlich begrenzten Einstufung von Gas und Kernkraft als „ökologisch nachhaltig“ helfen.