Seit über 100 Tagen führt Russland bereits einen Angriffskrieg in der Ukraine und setzt seine willkürlichen Angriffe auf die Zivilbevölkerung fort. Die brutale Invasion hat Europa und die Weltpolitik in atemberaubend kurzer Zeit gravierend verändert. Als Reaktion auf den russischen Angriff wurde auf einem EU-Sondergipfel der 27 EU-Staaten Ende Mai deshalb ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland beschlossen, das vergangenen Freitag in Kraft getreten ist.

Es handelt sich um das bisher umfangreichste Sanktionspaket der EU gegen Russland. Zentraler Bestandteil ist ein weitgehendes Öl-Embargo. Lediglich Ungarn, die Slowakei und Tschechien dürfen aufgrund ihrer besonders hohen Abhängigkeit weiterhin russisches Öl beziehen. Trotz der Ausnahmeregelung wird die EU bis Ende des Jahres rund 90% weniger Öl aus Russland importieren als noch im vergangenen Jahr und die Zahlungen von täglich etwa 450 Millionen Euro damit drastisch reduzieren. Neben der Einfuhr von Öl ist aktuell auch der Import von Eisen, Stahl, Holz, Zement, Meeresfrüchten und Spirituosen aus Russland in die EU verboten.

Neben dem Öl-Embargo wurde auch der Ausschluss der größten russischen Bank, der „Sberbank“, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk „SWIFT“ beschlossen. „Sberbank“ kann nun keine Zahlungen mehr mit Banken aus dem Ausland abwickeln.

Insgesamt sind mit dem sechsten Sanktionspaket nun über 1150 Personen und 98 Organisation – wegen Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben – vom Einfrieren ihrer Vermögenswerte und Reiseverboten betroffen.

Was mich persönlich sehr ernüchtert hat, ist das Veto Ungarns zu geplanten Strafmaßnahmen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Kirill I. Immer wieder nutzt Ungarn das Einstimmigkeitsprinzip der EU aus, um seine Meinung gegen alle Widerstände durchzusetzen. Dabei konnten wir als EU bisher stolz darauf sein, dass in kaum vorstellbarer Einigkeit große Solidarität mit der Ukraine gezeigt, Millionen Flüchtlinge aufgenommen und gezielte Sanktionen gegen Putins Regime ergriffen wurden.

Dass Viktor Orban nur wenige Stunden nach der Einigung das beschlossene Paket wieder aufgeschnürt hat und den Verzicht auf Strafmaßnahmen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kyrill durchsetzt, lässt die EU schwach aussehen. Viktor Orban darf den Bogen nicht weiter überspannen. Unser EPP-Vorsitzender, Manfred Weber, erklärte deshalb zurecht, dass man alle Möglichkeiten nutzen müsse, um den Druck auf Ministerpräsident Orban zu erhöhen.

Trotz allem stehen wir weiter geschlossen und entschlossen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Es war mir deshalb eine große Freude, dass wir den ukrainischen Parlamentspräsidenten Stefanchuk am Mittwoch für eine Aussprache im Europäischen Parlament und damit im Herzen der europäischen Demokratie begrüßen durften. Der Parlamentspräsident äußerte den tiefen Wunsch, seinem Land den EU-Kandidatenstatus zu verleihen.

Gleichzeitig betonte Stefanchuk, wie wichtig die bisherige humanitäre und politische Unterstützung der EU für die Ukraine sei und bedankte sich im Namen aller Ukrainerinnen und Ukrainer für den Beistand des EU-Parlamentes. Diese Unterstützung werden wir auch weiterhin selbstbewusst fortsetzen!