Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie werden sicher wahrgenommen haben, dass ich seit vergangenen Freitag in einigen Medienberichten wegen einer über 600.000,– € teuren Renovierung „meines“ Büros in die Kritik geraten bin. Mich haben dazu auch zahlreiche Fragen und Kommentare erreicht. Jede sachliche Zuschrift zu diesem Thema, die nicht von Fake-Accounts kommt, verdient es, ernst genommen und beantwortet zu werden.

Da ich mit dem zugrundeliegenden Projekt, dem IDEA Lab, sowohl in den vorbereitenden Diskussionen in den Gremien des Parlaments, als auch seit der einstimmigen Beschlussfassung des Parlamentspräsidiums stets offen und transparent umgegangen bin, möchte ich auch Sie als Bezieherinnen und Bezieher meines Newsletters von mir aus und direkt informieren. Ich habe mich deshalb entschlossen, mich mit diesem Sonder-Brief aus Straßburg an Sie zu wenden.

Eigentlich ist mit den Stellungnahmen der EVP-Fraktion, die Sie hier auf Englisch https://www.eppgroup.eu/newsroom/news/accusations-on-office-renovations-politically-motivated finden, und der Stellungnahme der CDU/CSU-Gruppe, die Sie hier https://www.cducsu.eu/artikel/ep-vizepraesident-wieland-weist-vorwuerfe-ueber-buero-renovierungen-als-politisch-motiviert finden, alles gesagt. Für diejenigen unter Ihnen, die an einer detaillierteren Darstellung interessiert sind, will ich den Vorgang nachfolgend ergänzend erläutern.

In den oben genannten Medienberichten wird mir vorgeworfen, ich sei der einzige Nutznießer eines neu eingerichteten Sitzungsraumes für Innovationen im Europäischen Parlament und hätte darüber hinaus mein Abgeordnetenbüro zum Eigennutz auf Kosten der Steuerzahler renoviert und mit luxuriöser Einrichtung ausgestattet.

Wie kam es zu diesen Vorwürfen?

Die Berichterstattung basiert auf dem Entwurf eines Entschließungsantrags vom 17.12.2021, der vom Berichterstatter der Grünen Fraktion für die Entlastung des Haushaltes des EU-Parlaments für das Jahr 2020 verfasst wurde, der ausschließlich seine persönliche Meinung widerspiegelt und der in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments bisher weder diskutiert noch abgestimmt wurde.

Der Berichterstatter unternimmt mit der in seinem Entwurf enthaltenen Unterstellung in beispielloser Weise den Versuch, das IDEA Lab als Privatveranstaltung des für die Gebäudepolitik zuständigen Vizepräsidenten (einer Zuständigkeit mit der ich erstmals 2014 von Präsident Schulz und danach jeweils erneut von den Präsidenten Tajani und Sassoli betraut wurde) darzustellen. Er rückt den Vorgang damit in die Nähe der persönlichen Vorteilsnahme und platziert diesen Bericht absichtsvoll in das unmittelbare Vorfeld der Halbzeitwahlen für das Parlamentspräsidium.

Was ist das IDEA Lab?

Die Entscheidung zur Einrichtung des sogenannten IDEA Lab, eines Gebäudebereichs zur Prüfung potentieller neuer Bürotechnik im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Energieeinsparung, flexible Nutzungsmöglichkeiten und Kosteneffizienz, wurde einstimmig vom Präsidium des Europäischen Parlaments getroffen. Im Präsidium sitzen Vertreter aller relevanten Fraktionen, inklusive der Grünen. Zudem sind etwa ein Drittel der in den Medien genannten Kosten für einen Multifunktionsraum entstanden, der nicht zu meinem Büro gehört, sondern für alle Abgeordneten und deren Mitarbeiter zur Nutzung zur Verfügung steht.

In meiner Funktion als Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der Präsidiumsarbeitsgruppe Gebäude versuche ich seit vielen Jahren nach bestem Wissen und Gewissen, die Arbeitssituation der Abgeordneten zu verbessern und durch Effizienzsteigerung öffentliche Gelder zu sparen, also genau das Gegenteil dessen zu erreichen, was mir aktuell von einigen Seiten vorgeworfen wird. Durch einen von mir initiierten Umbau ungenutzter Lagerräume konnten innerhalb des Parlamentsgebäudes 19 neue kleine Sitzungsräume geschaffen werden. Diese Räume deckten einen hohen Bedarf, bedeuteten einen Flächengewinn von knapp 500 qm und sparten Kosten, die ansonsten für die Anmietung oder den Kauf neuer Flächen hätte ausgegeben werden müssen.

Im Folgenden möchte ich gerne etwas ausführlicher die Entstehungsprozesse erläutern, die zum Beschluss des Präsidiums geführt haben, dieses dauerhafte Testzentrum für Innovationen im Jahr 2020 einzurichten:

Die Gebäudepolitik wurde sowohl in der Präsidiumsarbeitsgruppe Gebäude als auch im Präsidium mehrfach beraten und festgelegt. Die aus der Gebäudepolitik resultierenden Projekte wurden – dort, wo die Haushaltsordnung dies vorsieht – durch Beschlüsse des zuständigen Haushaltsausschusses hinterlegt. Darüber hinaus wurden auf Betreiben der Arbeitsgruppe Gebäude in der jüngeren Vergangenheit umfänglichere Vorhaben, die innovative Ansätze verfolgten, nicht lediglich beschlossen und umgesetzt, sondern der Weg eingeschlagen, zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts ihre Handhabbarkeit und den praktischen Nutzen zu testen. Dies alles hat das Ziel, mittelfristig Kosten einzusparen.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode (2014-2019) nahmen Präsidiumsmitglieder der Arbeitsgruppe Gebäude (aus den Fraktionen S&D, GRÜNEN sowie der EVP) an einem Pilotprojekt teil, bei dem ihre Büros von verschiedenen Herstellern für einige Zeit umgebaut wurden, um die für Mitglieder und Mitarbeiter geeigneten Büromöbel zu testen (die bestehenden Möbel waren zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Jahre alt). Der kompetitive Wettbewerb konnte mit einem erheblichen Mehrwert im Blick auf Funktionalität, Nachhaltigkeit, Flexibilität und zu geringeren Kosten abgeschlossen werden. Darüber hinaus führte dieses erste Pilotprojekt auch zu erheblichen Haushaltseinsparungen für das Europäische Parlament, da der im Rahmen des entsprechenden öffentlichen Vergabeverfahrens vergebene Auftrag etwa 1 Mio. Euro pro Jahr weniger kostet als ursprünglich veranschlagt.

Angesichts des durchweg positiven Feedbacks seitens der teilnehmenden Abgeordneten entschied das Präsidium des Europäischen Parlaments in seiner Sitzung vom 23. Oktober 2019 einstimmig, eine dauerhafte Testumgebung einzurichten, in der weitere technische Innovationen vor einer groß angelegten Umsetzung zunächst erprobt werden sollen. Dieses dauerhafte Pilotprojekt für Innovationen wurde in strukturierter Zusammenarbeit mit der für Gebäude, Sicherheit, Raumnutzung und Kommunikation zuständigen Generaldirektionen eingerichtet mit dem Ziel, aus dem Haus kommende Anregungen und am Markt sichtbare Innovationen noch vor einer Einführung auf Nützlichkeit, Handhabbarkeit, Bedarf und Akzeptanz bei den Nutzern, sowie die zu erwartende Kosten-/Nutzenrelation in einem IDEA Lab zu testen. Selbstverständlich gehört zu einer Testumgebung auch, Ideen wieder zu verwerfen, wenn sich diese als nicht praktikabel erweisen.

Es stand nach den positiven Erfahrungen mit dem ersten Pilotprojekt fest, dass in die Arbeit des IDEA Lab mehrere in der Arbeitsgruppe tätige Vizepräsidenten einbezogen werden, die insbesondere ihre Erfahrungen mit zu testender Hard- und Software sowie leicht zu installierenden Einrichtungen dokumentieren sollen.

Soweit im IDEA Lab auch der neue Zuschnitt von Büros, die völlig neue Nutzung von Flächen sowie neue Arbeits- und Zusammenarbeitsformen getestet werden, deren Erprobung umfänglichere innenarchitektonische Maßnahmen und Umstrukturierungen voraussetzen, sollte dies zusammengefasst und kompakt auf einer halben Etage der Parlamentsgebäude angesiedelt und dabei auch das Büro eines Mitglieds der Arbeitsgruppe Gebäude einbezogen werden.

Zur Klarstellung muss gesagt werden, dass im Zuge des IDEA Lab auch die seit Jahren diskutierte Forderung des Abbaus der in jedem Abgeordnetenbüro standardmäßig vorhandenen Nasszelle getestet werden sollte. Diese Nasszellen wurden zu Planungszeiten des Abgeordnetenhauses um den Beginn der 90er-Jahre als notwendig angesehen und umfassen jeweils eine Toilette, eine Dusche und ein Waschbecken. Von den meisten Mitgliedern des Hauses wird sie heute als völlig überflüssig angesehen und kaum genutzt. Zudem verursachen sie hohe Unterhaltungskosten: Eigens dafür beschäftigtes Personal öffnet seit Jahren zur Nachtzeit für etwa 10 Minuten die Wasserhähne, um der Bildung von Legionellen vorzubeugen. Der Ausbau dieser Toiletten war nur in einer der obersten Etagen denkbar, um den Wasserkreislauf in darüberliegenden Stockwerken nicht zu unterbrechen.

Mein Büro befindet sich in der obersten Etage des Gebäudeteils E. Da sich das Büro keines anderen Mitglieds der Arbeitsgruppe in einer der obersten Etagen befand, lag die Nutzung meines Büros für die Ansiedlung des IDEA Lab nahe und war nie umstritten. Soweit die öffentliche Darstellung den Eindruck erweckt, dass Büro sei neu für mich eingerichtet und dann erst von mir bezogen worden, ist dies falsch.

Was beinhaltet der aktuell diskutierte Umbau?

Für den Einstieg in die Umsetzung des IDEA Lab am Südende der 15. Etage des Gebäudeteils E wurde die Prüfung unter anderem folgender Vorhaben als Ziel der Umbauten identifiziert:

  1. Abbau der genannten Nasszellen
  2. Erschließung bisher ungenutzter Flächen für einen frei buchbaren und für alle zugänglichen Multifunktionsraum, der unter anderem kleinere Besprechungen, Vortrag vor kleineren Gruppen oder die Nutzung für hochwertige Übertragungen etwa in Interview- oder Pressekonferenzformate ermöglicht.
  3. Flexible Nutzung des vorhandenen Büroraums mit Einzelräumen oder als Co-Working-Flächen.
  4. Umweltgerechte Klimatisierung der Büroräume, die trotzdem eine Öffnung der Fenster ermöglicht, im Zuge von Überlegungen betreffend die energetische Ertüchtigung eines 25 Jahre alten Gebäudes für seine erhebliche Restlaufzeit.
  5. Umstellung des Schließsystems von herkömmlichen Schlössern auf Schlösser, die mit Chipkarten geöffnet und verschlossen werden können, deren Verlust keine hohen Kosten verursacht (im Gegensatz zum bisherigen Schließsystem mit Schlüsseln).
  6. Erkundung der Potenziale von „Intelligent Cleaning“, die von wissenschaftlicher Seite im Blick auf die Kosten von Personal, Reinigungsmitteln und den Energieaufwand für Reinigungsgeräte mit bis zu 30% Einsparpotenzial angegeben werden.

Durch die Entfernung der Nasszellen und den Umbau eines in der Vergangenheit ungenutzten Lagerraums neben dem Büro wurde ein Reingewinn an Bürofläche von etwa 20% erzielt. Dies stellt bereits einen erheblichen Mehrwert des IDEA Labs dar, da das Pilotprojekt ebenfalls das Potential ungenutzter Räume und Flächen auf den Stockwerken der Abgeordnetenbüros deutlich machen sollte. Zwar ist das Büro mittlerweile auch für einen Funktionsträger etwas größer als üblicherweise im Europäischen Parlament vorgesehen, das liegt allerdings daran, dass bislang ungenutzte Gangteile in genutzte Bürofläche umgewandelt wurde.

Wie setzen sich die Kosten zusammen?

Die in der Berichterstattung genannten Kosten von über € 600.000, deren Bezifferung sich im Übrigen nicht auf Recherchen stützt, sondern auf transparente Angaben der Verwaltung, sind in der Tat hoch. Der mit der Berichterstattung nahegelegte Eindruck, dass es sich dabei um die Luxussanierung eines Büros für den für Gebäudepolitik zuständigen Vizepräsidenten handelt, ist falsch, irreführend und rufschädigend. Zu berücksichtigen ist, dass das Büro zwar nicht renovierungsbedürftig war, de facto nach den Umbauarbeiten jedoch renoviert ist, wofür standardmäßig im Parlament ein Preis von 1700 €/qm veranschlagt wird.

Wie bereits erwähnt, entstand etwa ein Drittel der Kosten für den (in Ziffer 2) genannten Multifunktionsraum, der zum IDEA Lab – aber nicht zu meinem Büro – gehört, frei buchbar ist und für alle Abgeordneten und deren Mitarbeiter zur Nutzung zur Verfügung steht. Dieser Raum wird, auch von offizieller Seite, vielleicht irreführend als „Showroom“ bezeichnet, weil Anwendungen, wie zum Beispiel die Diktiermöglichkeit mit verknüpfter Übersetzung, von möglichst vielen Nutzern getestet werden sollen und deshalb im frei zugänglichen Bereich angesiedelt werden.

Etwa die Hälfte aller übrigen Kosten sind durch die Schaffung einer Infrastruktur entstanden, die insbesondere die oben genannten Vorhaben 2, 4, 5 und 6 IT-mäßig mit den bestehenden Systemen verbindet. Diese Verbindung erfolgt sinnvollerweise grundständig, um für den Fall der späteren standardmäßigen Umsetzung in allen Büros, diese mit geringen Kosten anzubinden. Die im IDEA Lab für die Einrichtung einer Verbindung für zunächst ein Büro entstandenen Kosten werden dann entsprechend durch die Aufteilung auf viele Büros pro Büro wesentlich geringer sein.

Persönliche Anmerkung zum Schluss

Ich habe in allen Angelegenheiten immer transparent gehandelt: Das Präsidium wird regelmäßig über den aktuellen Stand der Umbauten des IDEA Lab informiert, außerdem gibt es in der Arbeitsgruppe Gebäude, die ich als Vorsitzender leite, eine regelmäßige Vorstellung der aktuell getesteten und der geplanten Innovationen mit einem anschließenden Meinungsaustausch mit allen Mitgliedern der Arbeitsgruppe, selbstverständlich auch mit den Präsidiumsmitgliedern der Fraktion der Grünen.

Umso mehr überraschen mich die Anschuldigungen des Berichterstatters, da ich selbstverständlich auch ihm in einem persönlichen Gespräch die Hintergründe erläutert habe. Für mich als Abgeordneter und Vizepräsident des Europäischen Parlaments war und ist das vorrangige Ziel, Kosten einzusparen anstatt Steuergelder zu verschwenden. Für den weiteren Betrieb des IDEA Lab ist selbstverständlich, dass auch künftig eine Verknüpfung dieses Büros mit einem für die Gebäudepolitik zuständigen Präsidiumsmitglieds naheliegt, es sei denn, hieran stört sich entweder der Präsident oder die Präsidentin, das Präsidium oder die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gebäude.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen gedient zu haben und wünsche Ihnen für das noch junge Jahr 2022 alles Gute.