Die Plenarsitzung am Dienstag begann mit einer lebhaften Debatte zum Stand der Rechtsstaatlichkeit in Polen. Ausschlaggebend hierfür war das jüngste Urteil des polnischen Verfassungsgerichts von Anfang Oktober, welches in seinem Grundtenor den Vorrang des europäischen Rechts vor nationalem Recht in Frage stellt und die Verbindlichkeit von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für nationale Gerichte anzweifelt.

Die intensive Aussprache im Plenum des Europäischen Parlaments steht im Kontext langanhaltender Meinungsverschiedenheiten zwischen der polnischen Regierung und der EU-Kommission, wobei letztere aufgrund von Zweifeln an der Unabhängigkeit der polnischen Justiz bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und Klage beim EuGH eingereicht hat.

Der polnische Premierminister, Mateusz Morawiecki, nahm in seiner Rede vor EU-Kommissarin Ursula von der Leyen und Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu den jüngsten Vorwürfen Stellung. Er verteidigte das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts und warf gleichzeitig der EU-Kommission „Erpressung“ vor.

Die Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments machte deutlich, dass die Einhaltung der Europäischen Verträge und dabei vor allem die Beachtung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips zu den Grundpfeilern der Europäischen Union zählen, auf die sich alle 27 EU-Mitgliedstaaten verständigt haben und auf deren Gültigkeit sich alle Unionsbürgerinnen und -bürger uneingeschränkt verlassen können müssen.

Die Mitglieder der CDU/CSU-Gruppe unterstrichen in ihren Redebeiträgen, dass die im Rahmen der polnischen Justizreform vorgenommenen Änderungen– wie die Möglichkeit der Pensionskürzung für regierungskritische Richter oder die zweimalige Mandatsverlängerung für regierungskonforme Richter – äußerst besorgniserregend sind und auf eine stetige Aushöhlung der Gewaltenteilung in Polen hindeuten.

Sollte die PiS-Regierung ihren schrittweisen Umbau der Justiz nicht umgehend rückgängig machen, müssen sich Mitgliedstaaten und EU-Kommission auf angemessene Sanktionsmaßnahmen gegenüber der polnischen PiS-Regierung verständigen. Denn jeder Mitgliedstaat der von den finanziellen Förderungen und europäischen Steuergeldern profitiert, muss sich auch an die gemeinsam geltenden und vereinbarten Regeln und Reformen halten.

Für mich und meine Fraktion steht fest, wer, wie die PiS- Regierung, auf der einen Seite den EuGH anruft, um den Rechtsstaatlichkeitsmechanismus überprüfen zu lassen, sich auf der anderen Seite allerdings weigert, Urteile des Gerichtshofs anzuerkennen, hat auch sein Wirken in Form von Glaubwürdigkeit verspielt.

Die Bürgerinnen und Bürger Polens, die sich in den vergangenen Tagen zu Zehntausenden zusammenfanden, um gegen die Justizreformen der PiS-Regierung zu demonstrieren, legten ein klares Bekenntnis für die Mitgliedschaft Ihres Landes in der EU ab. Sie verdienen es, dass die EU-Kommission nun konsequent handelt und die in den Verträgen verankerte Rechte, die allen Europäerinnen und Europäern zustehen, schützt.

Denn die EU als Werte- und Rechtsgemeinschaft kann in Zukunft nur glaubhaft sein, wenn jene Grundprinzipien in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkt gewahrt werden.

Den Link zur Debatte finden Sie hier: https://www.europarl.europa.eu/plenary/de/vod.html?mode=chapter&vodLanguage=DE&playerStartTime=20211019-09:08:25&playerEndTime=20211019-13:00:13#