Sehr geehrte Damen und Herren, wegen steigender Infektionszahlen in Straßburg tagten die Abgeordneten auch in der vergangenen Plenarwoche wieder „hybrid“ – also sowohl präsent als auch online – in Brüssel, und nicht im Hauptsitz des Europäischen Parlaments. Während dieser Plenarsitzung fand die für die Europäische Union wichtigste Aussprache des Jahres statt: Die Rede zur Lage der Europäischen Union. Zum ersten Mal seit ihrem Amtsantritt hat EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen diese Rede im Europaparlament gehalten. Ob Digitalisierung, Gesundheitsschutz, Migration oder Bekämpfung der Corona-Pandemie und des Klimawandels – von der Leyen kündigte einschneidende Reformen an und forderte die EU-Staaten dazu auf, neue Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Der Wiederaufbaufonds NextGenerationEU soll für die Finanzierung diverser Projekte herangezogen werden. Ihre Ankündigung, das CO2-Reduktionsziel bis 2030 von bisher 40 auf mindestens 55 Prozent zu erhöhen ist aus Perspektive von CDU/CSU sehr – vielleicht sogar allzu –  ehrgeizig. Für uns kommt es nun auf seriöse und ordnungspolitisch zielführende Ansätze in der Umsetzung an. Wir wollen dies mit marktwirtschaftlichen Instrumenten wie der Ausweitung des Emissionshandels erreichen. Auch Technologieneutralität ist hierfür wichtig, da die Elektrifizierung keine realistische Lösung ist, die verlässlich und in vertretbarer Zeit flächendeckend zur Verfügung steht.  Die Kommissionspräsidentin kündigte zudem an, eine stärkere europäische Gesundheitsunion schaffen zu wollen. Konkret schlug sie hierfür eine neue EU-Agentur für biomedizinische Forschung und Entwicklung vor. Auch im Bereich Digitales soll die EU dank europäischer Cloud zur Datenspeicherung und Milliarden-Investitionen in Supercomputer eigenständiger und unabhängiger werden. Lesen Sie alle Einzelheiten zu der Rede der Kommissionspräsidentin in meinem Newsletter. Was sonst noch im Plenum debattiert wurde: Das aggressive Verhalten der Türkei im Mittelmeer hat für breite Kritik im Europaparlament gesorgt. Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen forderten, die Eskalationsspirale zu stoppen und warnten vor der wachsenden Kriegsgefahr vor den Toren Europas. Seit dem Frühjahr 2019 führen türkische Schiffe Probebohrungen im Meeresboden innerhalb der Wirtschaftszone (EEZ) Zyperns durch. Nach den Bestimmungen des internationalen Seerechts dürfen Bodenschätze innerhalb der EEZ eines Anrainerstaats nicht von anderen Staaten ausgebeutet werden. Ein Großteil der Abgeordneten sprach sich in der Debatte zudem für eine neue Beziehung mit der Türkei aus. Der Dialog dürfe nicht abreißen und dennoch dürften weitere Sanktionen kein Tabu sein, hieß es. Kritik wurde dabei nicht nur an den türkischen Erdgasbohrungen laut, sondern auch an der Umwidmung der Instanbuler Hagia Sophia zur Moschee. Auch die Lage in Belarus und die Vergiftung von Alexej Nawalny beschäftigte die Abgeordneten. In einer fraktionsübergreifenden Entschließung forderten sie sofortige Neuwahlen in Belarus sowie wirksame Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime. Die Mitgliedstaaten müssen die längst von den EU-Außenministern geplanten EU-Sanktionen gegen Unterstützer des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko so schnell wie möglich beschließen. Dass Zypern sich vorerst dagegen sperrt und erst zustimmen will, wenn die EU im Gegenzug nicht gleichzeitig Sanktionen gegen die Türkei wegen der Erdgasbohrungen im Mittelmeer verhängt, ist allerdings nicht hinnehmbar. Beide Krisenherde dürften nicht vermengt werden! Auch für Russland forderte das Plenum zusätzliche Sanktionen. Die Haltung Lukaschenkos ist ohne Moskaus Unterstützung nicht denkbar. Belarus und die Vergiftung Alexej Nawalnys sind damit nur die letzten Vorfälle einer Serie. Der Anschlag auf Nawalny mit einem Kampfgas aus der Nowitschok-Familie ist eine klare Verletzung des Völkerrechts. EU-Sanktionen sind damit unerlässlich. Die Abgeordneten haben sich stark dafür eingesetzt, bereits während der Plenartagung im September für die legislative Stellungnahme zum Eigenmittelbeschluss abzustimmen. Dies ist ein wichtiger Meilenstein für die schnellere Umsetzung des Gesetzes zur Wiederankurbelung der Wirtschaft und für die Stärkung der EU! Außerdem debattierten die Abgeordneten darüber, wie es in Zukunft besser möglich ist, Reisebeschränkungen und Risikobewertungen zwischen den Mitgliedstaaten besser zu koordinieren. Mehr dazu in meinem Newsletter! Ich wünsche Ihnen einen schönen Spätsommer und bleiben Sie vor allem gesund! Mit europäischen Grüßen Ihr Rainer Wieland