Am 1. Juli übernahm Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft unter dem Motto: „Gemeinsam.Europa wieder stark machen“. Diesen Mittwoch stellte Angela Merkel im Plenum die Agenda der deutschen Ratspräsidentschaft vor. Auch wenn Corona die Pläne durchgewirbelt hat, ist die Agenda umfangreich. Viele dringende Themen stehen an:

Die große Mammutaufgabe wird sein, sowohl den Wiederaufbaufonds, als auch den EU-Mehrjahreshaushalt 2021-2027 unter Dach und Fach zu bringen. Dies entscheidet darüber, ob Europa gestärkt aus der Krise hervorgehen wird:

a) Antwort auf die Corona-Pandemie – ein starker Mehrjahreshaushalt

Bis Ende 2020 soll der Mehrjahreshaushalt 2021-2027 abgeschlossen sein. Deutschland unterstützt die rasche Umsetzung des befristeten Aufbauinstruments. Die Strukturfonds dienen als wichtige Elemente zur Abfederung der Pandemie. In den Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 strebt Deutschland eine Positionierung des Rats („Allgemeine Ausrichtung“) an. Außerdem unterstützt Deutschland den Vorschlag der Kommission einer Verknüpfung von EU-Haushaltsmitteln mit rechtsstaatlichen Standards in den Mitgliedstaaten.

b) Antwort auf die Corona-Pandemie – Stärkung der Widerstandsfähigkeit

In den kommenden sechs Monaten ist geplant, das Corona-Krisenmanagement weiterzuführen und zu intensivieren, eine koordinierte Exit-Strategie umzusetzen, zur nachhaltigen Erholung der Wirtschaft beizutragen und Lehren aus der Krise zu ziehen. Zur Förderung der Widerstandsfähigkeit Europas setzt sich Deutschland zum Beispiel für die Stärkung des EU-Katastrophenschutzverfahrens ein.

Weitere wichtige Themen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Überblick:

c) Ein Europa der Sicherheit und Werte – Gemeinsames Europäisches Asylsystem

Auf dem Programm steht die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Der Vorschlag ist, dass verpflichtende Verfahren an den EU-Außengrenzen eingeführt werden, um Asylanträge vorab frühzeitig zu kategorisieren, zu prüfen und bei offensichtlich fehlender Schutzbedürftigkeit die Einreise in die EU zu verweigern.

d) Ein Europa der Sicherheit und Werte – weitere Aspekte

Deutschland will vor allem zur Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft im Umgang mit falschen und irreführenden Informationen im Internet, zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rassismus beitragen. Darüber hinaus wird Deutschland die verstärkte Zusammenarbeit bei der Netz- und Informationssicherheit – insbesondere zum Schutz kritischer Infrastrukturen und Unternehmen im öffentlichen Interesse – vorantreiben.

e) Eine handlungsfähige EU für eine partnerschaftliche internationale Ordnung – UK und darüber hinaus

Die Ratspräsidentschaft will einen aktiven Beitrag für einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich leisten. (Faire Wettbewerbsbedingungen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechten und Pflichten. Des Weiteren wird Deutschland die laufenden Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Montenegro aktiv begleiten und einen Verhandlungsrahmen für die Aufnahme von Gesprächen mit Albanien und Nordmazedonien ausarbeiten Es ist wichtig, dass die EU, die teilweise immer noch fragilen Demokratien des Westlichen Balkans eng begleitet und Frieden und Versöhnung fördert. Daher ist es ein gutes und wichtiges Signal, dass der Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo nach einer deutsch-französischen Initiative wieder aufgenommen wurde. Die deutsche Ratspräsidentschaft will auch den seit zwei Jahren stockenden Visaliberalisierungsprozess für das Kosovo endlich abschließen, da das Land alle Bedingungen erfüllt hat und es wichtig ist, zu seinen Zusagen zustehen, um nicht an Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Region zu verlieren.

f) Ein stärkeres und innovativeres Europa – Digitaler Wandel

Durch die Maßnahmen zur Krisenbewältigung wird es auch zu einer beschleunigten nachhaltigen und digitalen Transformation kommen. Um gleichwertige Lebensverhältnisse in städtischen und ländlichen Gebieten zu gewährleisten, ist der Aufbau einer hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur wichtig. Im Fokus stehen Netzkapazitäten, Breitbandziele und die verantwortungsvolle Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz, wie etwa im Gesundheitsbereich.

g) Ein stärkeres und innovativeres Europa – Verkehr

Im Bereich der Mobilität wird die Ratspräsidentschaft die Auswirkungen der Pandemie auf die Verkehrsinfrastrukturen und ihre Krisenfestigkeit analysieren. Darauf aufbauend wird eine bereits angekündigte EU-Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität im Rat erarbeitet werden.

h) Ein stärkeres und innovativeres Europa – nachhaltige Finanzmarktarchitektur

Wichtige Ziele sind es die Besteuerung zu vereinfachen, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherzustellen, die Bankenunion fortzuentwickeln und eine digitale Finanzmarktunion zu schaffen.

i) Ein gerechtes Europa – Arbeitsbedingungen und Gesundheit

Deutschland setzt sich für die Entwicklung eines EU-Rahmen für nationale Mindestlöhne bzw. für nationale Grundsicherungssysteme ein. Darüber hinaus setzt sich die Ratspräsidentschaft für die Verbesserung der Durchsetzung der Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern ein. Ein weiteres Hauptthema ist die Unterstützung des angekündigten Plans zur Krebsbekämpfung.

j) Ein gerechtes Europa – Bildung

Im Bildungsbereich ist vor allem die Vertiefung der grenzübergreifenden Berufsbildungskooperation und die Erleichterung der Anerkennung von Bildungsabschlüssen vorgesehen. Dies wird vor allem bei Erzieherinnen und Erzieher im grenzüberschreitenden Bereich kommunalrelevant sein.

k) Ein gerechtes Europa – Gleichbehandlung und Teilhabe junger Menschen

Die Bundesregierung setzt sich für Schlussfolgerungen zur partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern ein. Zusätzlich setzt sich Deutschland für die Förderung der eigenständigen Existenzsicherung von Frauen ein. Mit einer EU- Jugendarbeitsagenda sollen Angebote in der Jugendarbeit noch stärker gefördert werden.

l) Ein nachhaltiges Europa – Grüner Deal allgemein

Die Umsetzung des „Grüner Deals“ ist in vollem Gange. Folgende Dossiers wird Deutschland intensiv begleiten: Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft; EU-Biodiversitätsstrategie; Ausweitung der CO2-Bepreisung sowie die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“.

m) Ein nachhaltiges Europa – nachhaltige Entwicklung städtischer und ländlicher Räume

Die Gemeinsame Agrarpolitik soll nach dem Willen des Ratsvorsitzes noch stärker dazu beitragen die Entwicklungspotenziale ländlicher Regionen zu nutzen und sie als attraktive Lebens- und Wirtschaftsräume zu erhalten bzw. weiterzuentwickeln.

 

Gut zu wissen

Nach 13 Jahren – die letzte deutsche EU-Ratspräsidentschaft fand 2007 statt – übernimmt Deutschland von Juli bis Dezember 2020 wieder den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Im Rat der Europäischen Union gibt es keinen ständigen Vorsitz. Daher wird die Ratspräsidentschaft alle sechs Monate im Rotationsprinzip unter den Mitgliedsstaaten gewechselt. Wenn ein Mitgliedsstaat die EU-Präsidentschaft innehat, muss er dafür sorgen, dass die Arbeit des Rates systematisch vorangeht und Entscheidungen gefällt werden. Dabei gilt es v. a. folgende drei Hauptaufgaben zu bewältigen: Erstens, die Treffen und Arbeiten des Europäischen Rates, des Rates der Europäischen Union und weiterer rund 200 Ausschüsse und Arbeitsgruppen zu leiten und zu moderieren. Zweitens ist es Aufgabe der Ratspräsidentschaft, die Mitgliedsstaaten in den Beziehungen zu anderen EU-Institutionen, v. a. der Kommission und dem Europäischen Parlament zu vertreten. Und drittens repräsentiert die Ratspräsidentschaft die EU gemeinsam mit der Kommission auch auf internationaler Ebene. Im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes kooperieren für einen Zeitraum von 18 Monaten immer drei Staaten und bilden die sogenannte „Trio-Präsidentschaft“, um bestimmte Themen über einen längeren Zeitraum verfolgen zu können. Neben dem jeweiligen nationalen Präsidentschaftsprogramm wird hierfür außerdem ein gemeinsames Trio-Präsidentschaftsprogramm aufgestellt. Deutschland bildet bei seiner diesjährigen Ratspräsidentschaft eine Trio-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien und übernimmt als Erster aus dem Team das Amt.