Die Situation an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland hat sich in den vergangenen Tagen zugespitzt. Seit dem 28. Februar 2020 versuchen aus der Türkei kommende Flüchtlinge die Grenze zu Griechenland und somit zur Europäischen Union zu überqueren. Der Andrang der Flüchtlinge an den Außengrenzen der Europäischen Union wurde durch Signale des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan befördert. Er soll behauptet haben, dass die Grenzen zur EU offen seien und dass bereits tausende Flüchtlinge die Grenze passiert haben. Er begründet sein Verhalten damit, dass die EU ihre Zusagen aus dem im März 2016 beschlossenen Flüchtlingsabkommen nicht eingehalten habe. Deshalb würde er nun ähnlich vorgehen und die Flüchtlingsströme zukünftig nicht mehr an ihrem Versuch, die EU zu betreten, hindern.

Hintergrund: Am 18. März 2016 schloss die Europäische Union mit der Türkei das sogenannte Flüchtlingsabkommen. Dieses Abkommen sieht vor, dass alle „irregulären Migranten“, die auf den griechischen Inseln ankommen und die kein Asyl beantragen oder deren Antrag als unbegründet oder unzulässig abgelehnt wird, auf Kosten der Europäischen Union in die Türkei zurückgebracht werden. Für jeden syrischen Flüchtling, welcher von den griechischen Inseln zurück in die Türkei gebracht wird, soll ein anderer syrischer Flüchtling von der Türkei in die EU umgesiedelt werden. Selbstverständlich sollen dabei die Bestimmungen des Völkerrechts und des EU-Rechts uneingeschränkt eingehalten werden. Weiterhin wurde festgeschrieben, dass die Türkei alle See- und Landwege für illegale Migranten aus der Türkei in die EU blockieren soll. Im Gegenzug sicherte die EU der Türkei folgendes u. a. zu: finanzielle Unterstützung für konkrete Flüchtlingsprojekte in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Lebensmittelversorgung und Infrastruktur und weitere Maßnahmen, wie beispielsweise die Wiederbelebung des Beitrittsprozesses.

In der aktuellen Plenarsitzung in Brüssel diskutierten die Abgeordneten des Parlaments über eine gemeinsame europäische Reaktion. Dabei forderten die EVP-Abgeordneten folgende Maßnahmen:

Es herrscht Konsens, dass es sich um eine schwierige und besorgniserregende Situation handle. Es ist vollkommen verständlich, dass Griechenland um europäische Hilfe bittet, denn es ist kein griechisches, sondern ein europäisches Problem. Es könne nicht sein, dass Griechenland allein die Außengrenzen der Europäischen Union, schütze. Die EVP steht an der Seite Griechenlands und tritt für eine umfängliche Unterstützung des landes ein. Es muss deutlich gemacht werden, dass sich die EU nicht erpressen lässt. Das Verhalten des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan, die Flüchtlinge gezielt zu instrumentalisieren, um seine Interessen durchzusetzen, sei inakzeptabel und entspreche nicht den europäischen Werten.

Die jetzige Situation ist ein „Weckruf“ für die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik. Diese solle zukünftig beschlossen werden, jedoch nicht unter dem Druck von Drittstaaten, wie der Türkei. Durch einen gemeinsamen Dialog mit der Türkei wolle man versuchen, die Lage zu deeskalieren. Das Flüchtlingsabkommen von 2016 wurde als Teillösung bezeichnet und solle zukünftig bestehen bleiben. Die finanzielle Unterstützung, die dieses Abkommen festschreibt, solle weiterhin direkt an die Hilfsorganisationen für Flüchtlinge vor Ort fließen und nicht an die türkische Regierung.