Am späten Abend des 11.02.2020 diskutierten Abgeordnete des Parlaments mit Vertretern des Rates und der Kommission darüber, wie der anhaltenden Bedrohung der Rechtstaatlichkeit in Polen begegnet werden kann.

Bereits 2017 forderte die EU-Kommission ein Tätigwerden der EU, da sie die Rechtsstaatlichkeit des Mitgliedslands Polen anhaltend bedroht sah. In Art. 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) ist die Rechtsstaatlichkeit als einer der Gründungswerte der Europäischen Union verankert. Besonders ausschlaggebend war die geplante umstrittene polnische Justizreform durch die nationalkonservative Regierung. In den geplanten Disziplinarregelungen für Richter sah die EU-Kommission eine Verletzung der Unabhängigkeit der Justiz, da die Regelungen nicht ausreichenden Schutz der polnischen Richter vor staatlicher Kontrolle böten.
Das Parlament wurde im März 2018 tätig, indem es durch eine Entschließung die Kommission in ihrer Auffassung bekräftigte, dass in Polen wichtige EU-Werte wie die Rechtstaatlichkeit, Gewaltenteilung und die Grundrechte gefährdet seien.

Auf Aufforderung der Kommission wurde daraufhin das Art. 7 EUV Verfahren eingeleitet, durch das der Rat feststellen kann, ob die Gefahr einer Verletzung der EU- Werte in Polen besteht. Für diese präventive Feststellung war eine Mehrheit von vier Fünftel der Mitgliedsstaaten und die anschließende Zustimmung des Parlaments nötig.
Mit der getroffenen Feststellung könnten weitere Maßnahmen gegen Polen eingeleitet werden, wie zum Beispiel der Entzug des Stimmrechts im Rat.
In einer Entschließung des Parlaments vom Januar 2020 wurde festgestellt, dass sich seit Einleitung des Art. 7 EUV Verfahrens die Lage in Polen verschlechtert hat. Zudem wurde in der Entschließung festgestellt, dass der Rat die in Art. 7 vorausgesetzten Anhörungen weder regelmäßig noch strukturiert organisiert abgehalten hätte. So soll der Rat laut Parlament Empfehlungen an das bereits dreimal angehörte Polen aussprechen und auch Fristen zur Umsetzung dieser Empfehlungen setzen. Dieses Versäumnis untergräbt aus Sicht des Parlaments die Glaubwürdigkeit der Union.
Damit einhergehend forderte das Parlament die Einrichtung eines EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, durch welchen jährlich alle EU- Mitgliedsstaaten unabhängig auf die Einhaltung der EU-Werte geprüft werden.
Derweil wurde in Polen am 23.01.2020 das umstrittene Gesetz zu Disziplinierung von Richtern verabschiedet und auch vom Staatspräsidenten Andrzej Duda unterzeichnet. Die EU- Kommission hat daraufhin Gegenmaßnahmen angekündigt.

Die Vizepräsidentin der EU- Kommission Věra Jourová bekräftigte zu Beginn der Diskussion, dass die Rechtsstaatlichkeit in den Ländern der EU und die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet werden müssen. Trotz der Verabschiedung des Gesetzes zu Disziplinierung von Richtern sei immer noch Bereitschaft gegeben mit Polen zu verhandeln.
In der folgenden Aussprache stärkten Parlamentarier die Kommission, sämtliche Instrumente wie beschleunigte Vertragsverletzungsverfahren und Anträge auf einstweilige Maßnahmen auszuschöpfen.
Generell zeigten sich die Abgeordneten in weitgehend geschlossen betroffen von dem unbeeindruckten Festhalten der polnischen Regierung am Umsetzen der Justizreform. Vielfach wurde die Förderung von Autoritarismus und die Zerstörung des demokratischen Systems Polens befürchtet.
Polnische Vertreter der PiS-Partei hingegen sahen Polen als Opfer und warnten vor einer illegitimen Einflussnahme auf die Souveränität.
Abschließend kündigte der EU- Kommissar für Justiz Didier Reynders die Einführung eines präventiven Rechtstaatlichkeitsmechanismus für die EU an. Damit soll Forderungen des europäischen Parlaments Rechnung getragen werden, wie der nach einer regelmäßigen Überprüfung der Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Ländern.