Am 12. Februar stimmte das EU-Parlament für das Handels- und Investitionsschutzabkommen mit Vietnam. Dieses Freihandelsabkommen ist das umfangreichste, das die EU je mit einem einzelnen Schwellenland abschloss. Ziel ist, innerhalb von sieben Jahren 99% aller Zölle, die derzeit im Handelsverkehr zwischen der EU und Vietnam existieren, abzubauen. Dadurch sollen bis 2035 zusätzlich Waren im Wert von 15 Milliarden Euro pro Jahr aus Vietnam in die EU importiert werden. Die Exporte der EU sollen im selben Zeitraum um 8,3 Milliarden Euro jährlich zunehmen.
Die wichtigsten Importgüter aus Vietnam stellen Telekommunikationsgeräte, Bekleidung und Nahrungsmittel dar. Die EU exportiert demgegenüber in erster Linie Maschinen, Fahrzeuge, Chemikalien sowie Agrarprodukte. Von dem Freihandelsabkommen versprechen sich beide Seiten wirtschaftliche, soziale sowie ökologische Vorteile.

Insgesamt ist der Abbau von Zöllen und anderen Importschranken sehr unterstützenswert. Protektionismus führt zur Abschottung einzelner Staaten und gefährdet dadurch neben dem Wirtschaftswachstum auch Millionen von Arbeitsplätzen weltweit. Die Förderung von mehr Freihandelszonen ist deshalb als sehr positiv zu bewerten. Zugeständnisse seitens der EU führen wechselseitig auch zu Zugeständnissen europäischer Handelspartner und steigern dadurch die Exporte der EU beziehungsweise Deutschlands. Dies sichert Arbeitsplätze deutscher Unternehmen, insbesondere mittelständischer Betriebe. Allein durch die gesteigerten Exporte mit Vietnam sollen 14.000 neue Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden. Weiterhin führt Freihandel zu einer Senkung der Verbraucherpreise, zu einer größeren Produktvielfalt und zu insgesamt mehr Wohlstand in der Welt.

Vietnam ist nach Singapur der zweitgrößte Handelspartner der EU im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) mit einem Warenhandel im Wert von 47,6 Milliarden Euro pro Jahr und 3,6 Milliarden Euro im Dienstleistungsbereich. Die EU-Exporte in das Land steigen jährlich um 5-7 Prozent, dennoch betrug das Handelsdefizit der EU mit Vietnam im Jahr 2018 27 Milliarden Euro. Vietnam ist als Handelspartner für die EU sehr attraktiv.

Eu flag

Derzeit kann Vietnam ein Wirtschaftswachstum von sechs bis sieben Prozent pro Jahr vorweisen.

Daher ist Vietnam unter anderem für europäische Investoren interessant. Um Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für diese zu gewährleisten, wurde das Investitionsschutzabkommen erarbeitet, das im Fall von Rechtsstreitigkeiten eingreift. Zudem ist es von immenser geostrategischer Wichtigkeit, intensive Beziehungen zu einem Land wie Vietnam zu unterhalten. Denn Vietnam unterhält auch enge Verbindungen zu den USA und ist außerdem ein Nachbar Chinas. Damit sich die EU in ihrer Rolle als Global Player etablieren kann, ist das Freihandelsabkommen mit Vietnam deshalb von zentraler Bedeutung. Zudem ermöglicht das Abkommen der Europäischen Union, eine Botschaft zu senden: Die Botschaft, dass die EU nicht nur weltweit präsent ist, sondern auch, dass sie globale Standards setzt sowie sich international für Wohlstand und Arbeitsplätze einsetzt.

Nichtsdestotrotz ist Vietnam nach wie vor ein Schwellenland, die Menschenrechtssituation ist schwierig und auch die Umwelt- und Arbeitsstandards sind in der EU höher als in Vietnam. Um zu verhindern, dass dadurch Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen entstehen, wird Vietnam verpflichtet, die Bedingungen der Internationalen Arbeitsorganisation IAO umzusetzen.

Des Weiteren ist Vietnam an die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens gebunden. Insgesamt ermöglichen derartige Freihandelsabkommen es der EU, mehr Einfluss auf die betreffenden Länder zu nehmen und damit internationale Standards anzuheben. In Bezug auf die Menschenrechtslage ist es vor allem die Situation der politischen Gefangenen in Vietnam, die für massive Kritik am Handelspartner sorgt. Zwar reagierte Vietnam auf diesbezügliche Äußerungen des EU-Parlaments sehr positiv. Nichtsdestotrotz soll in Zukunft eine Delegation des Parlaments die Entwicklung der Menschenrechtslage beobachten. Zudem wird eine interparlamentarische Delegation zwischen dem Parlament und der Nationalversammlung Vietnams etabliert, die für eine Verbesserung der Menschenrechtssituation zuständig ist.