Über zwei Jahre wurde beraten, gestritten, verhandelt. Nun stimmte das Europäische Parlament für einen Kompromisstext zur Reform des europäischen Urheberrechts. Was bleibt, ist ein fader Beigeschmack.

Mit dem Urheberrecht verhält es sich ähnlich wie mit der zuletzt sehr intensiv diskutierten Datenschutzgrundverordnung: Die rasante Entwicklung des Internets hat in den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten nahezu alle Lebensbereiche und Branchen der Wirtschaft erfasst. Auch auf europäischer Ebene gab es bisher jedoch nur veraltete oder gar keine rechtlichen Rahmenbedingungen, die mit dieser neuen Realität Schritt halten konnten. Vor diesem Hintergrund war es aus meiner Sicht wichtig und richtig, dass die Europäische Kommission im Jahr 2016 auch einen Entwurf für die Reform des Urheberrechts vorgelegt hat. Schließlich hat sich die Art und Weise, wie die Werke von Kreativen und Medienschaffenden verbreitet und konsumiert werden, enorm verändert.

Diese Veränderungen haben viele positive Entwicklungen angestoßen. Nie zuvor konnten so viele Menschen auf ein so vielfältiges Angebot zugreifen. Gleichzeitig mussten wir in den letzten 15 Jahren jedoch auch bedenkliche Nebeneffekte beobachten. Insbesondere die Rechte von Urhebern werden bei der digitalen Verbreitung ihrer Werke massiv missachtet. Vor allem einige der großen Plattformen haben ein fragwürdiges Geschäftsmodell etabliert: Sie verwerten aktiv die Inhalte unzähliger Urheber und machen damit Milliardengewinne. Diese Verwertung findet jedoch oft ohne die Genehmigung der Urheber bzw. deren angemessene finanzielle Vergütung statt. Das Argument der Plattformen ist dabei, dass nicht sie selbst, sondern die einzelnen Nutzer verantwortlich sind, wenn sie Inhalte auf eine Plattform laden. Und in der Tat drohen den Nutzern bisher saftige Strafen, wenn sie gegen das bestehende Urheberrecht verstoßen.

Wir erleben also eine Situation, in der die Investitionen in den Inhalt, das Haftungsrisiko und die Gewinne jeweils von drei verschiedenen Akteuren getragen werden und es ist klar, dass es dabei in erster Linie einen Gewinner gibt: die großen Plattformen. Diese Situation, und hier schienen sich die Gegner und Befürworter der Reform oft einig, ist kein tragbarer Zustand. Zu sehr hat sich bei der Verbreitung und Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten im digitalen Raum eine „Wild-West-Mentalität“ etabliert. Das Ziel der nun nach über zweieinhalb Jahren beschlossenen Reform des europäischen Urheberrechts ist es, genau diese Probleme zu beheben.

Die Richtlinie soll die Stellung der Rechteinhaber – also Schriftsteller und Drehbuchautoren, Musiker, Interpreten sowie Nachrichtenverlage und Filmproduzenten – verbessern. Diese sollen eine angemessene Vergütung für die Verwendung ihrer Werke auf Internet-Plattformen durchsetzen können. Im Kern geht es darum, dass die Plattformbetreiber für Inhalte, die auf ihre Website hochgeladen werden, auch die Verantwortung im Sinne des Urheberrechts übernehmen. Durch die Stärkung der Urheber sollen künftig auch die großen Plattformen gezwungen sein, Lizenzverträge abzuschließen und damit ggf. auch für die Inhalte zu bezahlen, die sie verwerten.

In den langen und zähen Verhandlungen über den Reformtext wurden die Stellungnahmen von unzähligen Branchenvertretern, Rechtsexperten und auch NGOs gehört. Viele Kritikpunkte wurden dabei aufgenommen. Beispielsweise wurden verschiedene Bestimmungen entwickelt, die sicherstellen sollen, dass die Meinungsfreiheit im Internet gewahrt bleibt. So können auch in Zukunft kleine Ausschnitte von Nachrichtenartikeln auf anderen Plattformen geteilt werden. Erlaubt ist weiterhin auch der Upload geschützter Werke zum Zwecke des Zitierens, der Kritik, der Karikatur oder der Parodie. Auch die in der Debatte oft genannten Memes und GIFs sind nicht betroffen und sollen weiterhin auf Online-Plattformen verfügbar und teilbar sein.

Ein weiterer, aus meiner Sicht sehr wichtiger Punkt betrifft die Zielgruppe der neuen Regeln. Generell zielt die Richtlinie nur auf Plattformen ab, bei denen die Verwertung von urheberrechtlich geschützten Inhalten eine wesentliche Aktivität darstellt. Wichtige Ausnahmen konnten so beispielsweise für wissenschaftliche und alle nicht-kommerziellen Aktivitäten erreicht werden. Damit besteht – anders als oftmals behauptet – auch keine Gefahr für Angebote wie die Enzyklopädie „Wikipedia“. Ebenfalls ausgenommen sind kleine bzw. junge Plattformen, was der Start-Up-Szene mehr Raum zur Entwicklung lässt.

Trotz dieser Ausnahmen und der Anhörung vieler betroffener Akteure, gab es in den vergangenen Wochen zumindest in Deutschland massive Proteste gegen die Urheberrechtsreform. Allein mein Büro erreichten über 20.000 Emails, zahlreiche Briefe und unzählige Telefonanrufe. Ich habe diese nicht als Bots, sondern als kritische Stimmen sehr ernst genommen. Dennoch sollte sich jeder bewusst sein, dass zur hohen Zahl der Zuschriften auch das enorme – auch finanzielle – Engagement betroffener Plattformen ohne Zweifel beigetragen hat. Leider muss ich um Nachsicht dafür bitten, dass ich auf derart viele Zuschriften nicht direkt und einzeln eingehen konnte.

Da die Abwägung zwischen verschiedenen Zielen bei diesem Reformvorhaben äußerst schwierig war, habe ich die intensive Diskussion rund um das Thema sehr begrüßt. Dennoch war ich auch schockiert angesichts der Schärfte der Auseinandersetzung. Spätestens mit den Mord- und Bombendrohungen gegen den federführenden Abgeordneten haben wir eine Grenzüberschreitung erlebt, die mir große Sorgen macht. Es geht bei politischen Entscheidungen nie um „schwarz oder weiß“, sondern immer um eine möglichst gute Abwägung der vielen berechtigten Interessen. Auch im Zuge der Urheberrechtsreform war dies für mich das Leitprinzip. Wenn künftig Mehrheitsentscheidungen eines gewählten Parlaments nicht mehr als legitim angesehen werden, gerät unsere repräsentative Demokratie in eine gefährliche Schieflage. Dieser Gefahr müssen wir uns als Gesellschaft bewusst werden und ihr gemeinsam entgegentreten.

Weitere Informationen zur Reform des Urheberrechts finden Sie hier.