Erstmals seit seinem Beitritt im Jahr 2007 hat Rumänien zum 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Die Regierung des Landes, die seit einigen Monaten wegen strittiger Jusitzreformen massiv unter Druck steht, sieht sich nun mit hohen Erwartungen der Europäer konfrontiert. Können diese Erwartungen erfüllt werden?

Alle sechs Monate übernimmt ein anderer EU-Mitgliedstaat die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union, der Vertretung der Mitgliedstaaten auf EU-Ebene. Nachdem zuvor Österreich für ein halbes Jahr diese Funktion übernommen hatte, steht nun erstmals seit seinem EU-Beitritt im Jahr 2007 Rumänien an der Spitze der Mitgliedstaaten.

Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass Vertreter der rumänischen Regierung die Sitzungen des Rates leiten und diesen auch gegenüber anderen Institutionen, beispielsweise dem Europäischen Parlament, vertreten. In erster Linie kommt der Regierung, die die EU-Ratspräsidentschaft innehat, in erster Linie eine Rolle als Vermittler zu. Dennoch hat eine Regierung in ihrer Funktion der EU-Ratspräsidentschaft auch einen gewichtigen Einfluss auf inhaltliche Fragen. Insbesondere bei der Frage, ob und wo ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt wird, können inhaltliche Schwerpunkte gesetzt werden. Ihre konkreten Schwerpunkte für die kommenden Monate hat die rumänische Regierung nun in Straßburg vorgestellt.

Das Programm der rumänischen Ratspräsidentschaft formuliert vier Prioritäten: Zusammenhalt, sicheres Europa, Europa als starker globaler Akteur, Europa als Wertegemeinschaft. Im Detail zeigt sich jedoch bereits, dass unter diesen Schlagwörtern sehr viele Themen versammelt wurden. Es wird sich daher wohl noch zeigen müssen, welche Themen wirklich mit Priorität behandelt werden. Die nächsten sechs Monate werden beispielsweise für die Aushandlung des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFR) entscheidend sein. Darüber hinaus wird der Brexit wohl noch weiter viele Debatten überschatten und es bleibt eine wichtige Aufgabe der EU-Ratspräsidentschaft, die EU-Staaten geschlossen durch diese schwierigen Monate zu führen. Nicht unterschätzen darf man zudem auch die Wahl des Europäischen Parlaments im Mai. Einerseits nimmt der Zeitdruck nun stetig zu und andererseits wird der anlaufende Wahlkampf die Kompromissbereitschaft wohl nicht steigen lassen und die Arbeit der rumänischen Regierung erschweren.

In den vergangenen Wochen wurden angesichts der großen Herausforderungen der kommenden Monate immer wieder Zweifel an den Fähigkeiten der rumänischen Regierung geäußert. Neben der fehlenden Erfahrung des Landes in der neuen Rolle der EU-Ratspräsidentschaft hängt ein interner Konflikt über dem Land: Schon seit Monaten demonstrieren immer wieder Tausende Rumänen gegen zweifelhafte Justizreformen im Land. Auch das Europäische Parlament hatte diese Entwicklungen zuletzt deutlich kritisiert (mehr dazu in meinem Artikel zu Rumänien). Ich hoffe sehr, dass die EU-Ratspräsidentschaft Rumäniens zur Erfolgsgeschichte für Europa und zum Befreiungsschlag für das Land selbst wird. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes können das verstärkte Interesse an Rumänien nutzen und ihren berechtigten Forderungen Nachdruck verleihen. Korruption und Vetternwirtschaft, Machtmissbrauch und die gezielte Aushöhlung des Rechtstaats dürfen in einem EU-Land keinen Platz haben!

Weitere Informationen zur Rolle der EU-Ratspräsidentschaft sowie zum Programm der rumänischen Ratspräsidentschaft finden Sie unter folgenden Links: